Jena (ukj/kbo). Medikamentenabhängigkeit entwickelt sich oft schleichend: Der Rückenschmerz will einfach nicht weggehen. Die Nacht verlief mal wieder schlaflos. Dieses Angstgefühl kommt immer noch hoch. Da ist der Griff zur Tablette schnell und einfach. „Oft merken Betroffene gar nicht, dass sie ihre einst aus gutem Grund verschriebenen Medikamente schon viel zu lange nehmen – und gar nicht mehr ohne auskommen“, erklärt Uta Pietsch, Oberärztin an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Jena (UKJ). Auf das Problem aufmerksam machen und Therapiemöglichkeiten aufzeigen möchte sie gemeinsam mit ihrer Kollegin Teresa Kreuder beim nächsten Patientenforum unter dem Motto „In der Sucht sind wir alle gleich“. Die kostenlose Veranstaltung findet am Donnerstag, 18. Oktober, um 18 Uhr im Hörsaal des Klinikums im Philosophenweg 3 statt. Dabei gehen die beiden UKJ-Expertinnen neben Medikamentenabhängigkeit, die zu den substanzgebundenen Störungen gehört, auch auf sogenannte „Verhaltenssüchte“ ein, insbesondere auf „neue Suchtformen“ wie Internet-, Handy-, und Onlinespielsucht. Interessierte sind herzlich eingeladen, eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Nach den Vorträgen besteht ausreichend Gelegenheit, mit den Referentinnen ins Gespräch zu kommen und Fragen zu stellen.
Medikamentenabhängigkeit – die stille Sucht
Rund 2,3 Millionen Menschen sind in Deutschland geschätzt von Medikamenten abhängig. Nach Nikotin- und noch vor Alkoholsucht ist Medikamentenabhängigkeit damit die zweithäufigste Suchtform in Deutschland. „Typischerweise sind Frauen und ältere Menschen davon betroffen“, berichtet Oberärztin Uta Pietsch. „Niemand sieht es und niemand riecht es, wenn jemand Medikamente nimmt. Es ist daher eine stille Sucht“, erklärt sie weiter. Die Betroffenen wollten sich mithilfe der Tabletten meist fit für den Alltag machen oder Alltagsprobleme bewältigen. Typisch seien Schmerz-, Schlaf- oder Beruhigungsmittel. Wer einmal abhängig ist, sollte die Medikamente jedoch nicht einfach absetzen. „Das kann im schlimmsten Fall zu einer lebensbedrohlichen Symptomatik führen“, weiß Pietsch, und rät dazu, ärztliche Hilfe zu suchen. In ihrem Vortrag zeigt sie daher auch Therapiemöglichkeiten auf. Mittlerweile gebe es gute Behandlungsstrategien. Eine Entgiftung sei nicht immer zwingend stationär nötig, sondern auch ambulant möglich, „eine Behandlung nah am Leben dran“, wie Pietsch sagt.
„Neue Suchtformen“: Internet, Handy, Onlinespiele und Glücksspiel
Während Medikamentenabhängigkeit eine typische Sucht der zweiten Lebenshälfte ist, sind von den „neuen Suchtformen“ in der digitalen Welt besonders Jugendliche und junge Erwachsene betroffen. Sie verbringen oft viele Stunden vor dem Bildschirm. Etwa 46 Prozent der unter Dreißigjährigen spielen in Deutschland Video- und Computerspiele. Aber ab wann spricht man von Sucht? Was sind Warnzeichen? Betroffene zeigen Muster eines anhaltenden und wiederkehrenden Verhaltens. „Sie verlieren die Kontrolle darüber, wie häufig, intensiv und lange sie schon am Computer spielen oder das Handy nutzen“, sagt Teresa Kreuder. „Das zieht oft erhebliche Beeinträchtigungen im persönlichen, familiären, sozialen oder beruflichen Bereich nach sich“, erklärt sie weiter. Ein zunehmender sozialer Rückzug und die Vernachlässigung von Hobbies könnten laut Kreuder daher Warnhinweise für Angehörige und Freunde sein. In ihrem Vortrag informiert sie sowohl über Häufigkeiten und Geschlechterunterschiede der „neuen Suchtformen“ als auch mögliche Anlaufstellen und Hilfsangebote.
Termin auf einen Blick
Patientenforum „In der Sucht sind wir alle gleich“ am Donnerstag, 18. Oktober
Referentinnen: Dr. Uta Pietsch, Teresa Kreuder
Ort: Hörsaal der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Philosophenweg 3, 07743 Jena
Beginn: 18 Uhr
Kostenfrei, keine Anmeldung notwendig