Jena (vdG/UKJ). Das von der Charité koordinierte bundesweite Netzwerk der Universitätskliniken zur Erforschung von COVID-19 stellte heute (1. Oktober 2020) seine 13 Verbundprojekte zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vor. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Netzwerk mit 150 Millionen Euro. Neben dem besseren Verständnis der SARS-CoV-2-Infektionen, schneller Diagnostik und wirksamen Therapiekonzepten zielt die Arbeit des Netzwerkes auf den Aufbau nachhaltiger Strukturen für ein effektives Pandemie-Management.
Das Universitätsklinikum Jena (UKJ) ist ein gefragter Partner in diesem Netzwerk, seine Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind in elf der 13 Verbünde integriert. So erweitern die Jenaer Notfallmediziner Notaufnahmeregister, die Versorgungsforschung in Echtzeit ermöglichen sollen. Die jeweiligen Jenaer Fachvertreter arbeiten auch an der Datenvereinheitlichung der radiologischen Lungenbefunde, im entstehenden Autopsie-Netzwerk und an der Verbesserung der palliativmedizinischen Versorgung in der Pandemie mit. Die Mitglieder des Zentrums für Sepsis und Sepsisfolgen am UKJ, kurz CSCC, bringen ihre besondere Expertise im Bereich der Sepsis und Infektionsmedizin ein. Sie nutzen beispielsweise Organ- und Infektionsmodelle, um die Risiken für schwere COVID-19-Verläufe besser abschätzen zu können, sie sind an der Entwicklung von Teststrategien und Konzepten zur Infektionsüberwachung ebenso beteiligt wie an der Umsetzung des neuen Wissens in intensivmedizinische Behandlungsleitlinien.
Da die Vereinheitlichung und der Austausch von Daten ein zentrales Thema des Forschungsnetzwerkes ist, sind auch die Erfahrungen gefragt, die die Datenwissenschaftler des UKJ im SMITH-Verbund der Medizininformatik-Initiative sammeln konnten. „Im Rahmen des Netzwerks soll eine zentrale Forschungsdateninfrastruktur entstehen, die unsere Vorarbeiten nutzt. Neben Themen wie Interoperabilität und Datenschutz sind hierbei insbesondere Datensicherheit und die Erweiterbarkeit wichtige Anforderungen“, so Prof. Dr. André Scherag. Der stellvertretende SMITH-Sprecher koordiniert die Beteiligung des UKJ am Forschungsnetzwerk der Universitätsmedizin. Ein weiterer IT-Verbund des Netzwerkes wird eine App zur Erfassung der Spätfolgen von COVID-19 erstellen. Schließlich wollen die Unimediziner eine Patientenkohorte aufbauen, deren Krankheitsverlauf im Sinne eines „deep phenotyping“ in allen Details und Besonderheiten erfasst wird, daran werden auch die Jenaer Biobankexperten mitwirken.
Für die Bearbeitung seiner Projektanteile soll das UKJ insgesamt zwei Millionen Euro erhalten, wobei die Projekte bereits im kommenden Frühjahr abgeschlossen sein sollen. André Scherag: „Im Gegensatz zu vielen anderen Förderprogrammen stehen die Uniklinika im Nationalen Forschungsnetzwerk nicht in Konkurrenz zueinander, sondern ziehen an einem Strang. Unser gemeinsames Ziel ist es, die Corona-Pandemie zu bewältigen und für kommende Epidemien besser gerüstet zu sein.“
Weitere Informationen:
www.uniklinikum-jena.de/Forschung/Covid_19_Forschung.html
www.uniklinikum-jena.de/cscc/
www.smith.care
www.netzwerk-universitaetsmedizin.de
Pressemitteilung des BMBF
Kontakt:
Prof. Dr. André Scherag
Institut für Medizinische Statistik, Informatik und Datenwissenschaften
E-Mail:
Telefon: +49 3641 9-396951
Netzwerke mit UKJ-Beteiligung:
PallPan
Palliativversorgung in Pandemiezeiten (PallPan)
PallPan erarbeitet eine nationale Strategie für die Betreuung schwerkranker, sterbender Erwachsener und deren Angehöriger in Pandemiezeiten, die alle Bereiche der Hospiz- und Palliativversorgung einbezieht. Die Palliativmediziner des Universitätsklinikums Jena werden ihre besondere Erfahrung in Koordination und Qualitätsmanagement der ambulanten Palliativversorgung einbringen. Im Projekt PallPan leiten die Chefärzte der Abteilung für Palliativmedizin, PD Dr. Ulrich Wedding und apl. Prof. Dr. Winfried Meissner, die Erarbeitung von Handlungsempfehlungen zur Sicherstellung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV). Deren zentrale Aufgabe ist es, schwerkranken und sterbenden Patienten sowie deren Angehörigen eine Betreuung in ihrem jeweiligen Zuhause zu ermöglichen.
„Ob zu Hause oder im Pflegeheim, ob an, mit oder ohne Infektion erkrankt - Schwerkranke und Sterbende brauchen eine qualifizierte Betreuung, auch in einer Pandemie“, so Ulrich Wedding. „Jetzt gilt es, die Erfahrungen zu nutzen, die SAPV-Teams im ganzen Bundesgebiet gemacht haben, um für zukünftige Situationen besser vorbereitet zu sein.“
AKTIN-EZV
Echtzeit-Versorgungsforschung mit dem AKTIN-Notaufnahmeregister (AKTIN-EZV)
Ziel des Projektes ist der Ausbau des bestehenden AKTIN-Notaufnahmeregisters zu einer flächendeckenden Infrastruktur. Seit März 2020 erhält das Robert Koch-Institut (RKI) täglich wichtige Daten zur Lage in deutschen Notaufnahmen während der Corona-Pandemie übermittelt. Das Register ermöglicht damit erstmals das notfallmedizinische Geschehen in den Kliniken während der aktuellen Pandemie, aber auch bei zukünftigen Epidemien oder bei anderen gesundheitsrelevanten Ereignissen in Echtzeit beobachten zu können. Das Zentrum für Notfallmedizin am UKJ ist bereits Mitglied im AKTIN-Netzwerk.
Zentrumskoordinator Prof. Dr. Wilhelm Behringer: „Es geht nicht nur um die Aufnahme weiterer Notaufnahmen in das Netzwerk, sondern auch um die Erweiterung der standardisierten Datenübermittlung ans RKI. Wir in Jena werden insbesondere an neuen Variablen und Analysen im Datensatz für COVID-19 und andere Infektionskrankheiten arbeiten.“
NAPKON
Nationales-Pandemie-Kohorten-Netz (NAPKON)
Aufbauend auf bestehenden Netzwerken und Infrastrukturen wird NAPKON ein einheitliches Konzept zur repräsentativen Erfassung feingranularer Daten und Bioproben in Deutschland etablieren. Das nationale Netz soll es ermöglichen, sowohl immunologische als auch genetische und weitere moderne OMICS-Analysen durchzuführen, um hochdimensionale Daten zu generieren mit modernen Analysemethoden, einschließlich künstlicher Intelligenz (KI), zu untersuchen. Wichtige Aspekte dabei sind zeit- und kosteneffiziente Ressourcennutzung, hohe Daten- und Biomaterialqualität und zentral koordinierte Zugangsmöglichkeiten. „Dies soll es ermöglichen, wissenschaftliche und versorgungsrelevante Fragestellungen schnell und umfassend anzugehen, um ein weitgreifendes Verständnis der COVID-19-Pandemie und zukünftiger Pandemien aufzubauen“, betont PD Dr. Dr. Michael Kiehntopf, der Leiter der Integrierten Biobank Jena (IBBJ) am UKJ.
Organo-Strat
Nationales Kompetenznetz - Organspezifische Stratifikation bei COVID-19 (Organo-Strat)
Das übergeordnete Ziel des von der Charité koordinierten Kompetenznetzes besteht in seinem Beitrag zum tieferen Verständnis von COVID-19 hinsichtlich der krankheitsrelevanten Vorgänge in unterschiedlichen Organen. Zur Klärung der komplexen Zusammenhänge wird eine systematische Untersuchung des Infektionsverhaltens von SARS-CoV-2 in unterschiedlichen Organmodellen im Labor durchgeführt. "Organ-on-chip Systeme sind hier wichtige Werkzeuge für die Gewinnung eines tieferen Einblicks in die relevanten molekularen Prozesse von COVID-19 und die Erarbeitung eines besseren Verständnisses zum Organtropismus von SARS-CoV-2", sagt PD Dr. Alexander Mosig, der CSCC-Forscher ist für die Etablierung der Organmodelle am UKJ verantwortlich. Die virologische Expertise wird Dr. Stefanie Deinhardt-Emmer einbringen. Als Mikrobiologin betont sie, dass "mit Organo-Strat ein flexibles und schlagkräftiges bundesweites Netzwerk von Experten aus komplementären Spezialgebieten begründet wird, das uns in die Lage versetzen soll, effizient und vorausschauend auf aktuelle und künftige Bedrohungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie reagieren zu können".
EViPan Unimed
Entwicklung, Testung und Implementierung von regional adaptiven Versorgungsstrukturen und Prozessen für ein evidenzgeleitetes Pandemiemanagement koordiniert durch die Universitätsmedizin (EViPan Unimed)
Durch die enge Verbindung der Patientenbetreuung mit der Forschung und Lehre besitzen die Universitätsklinika in der aktuellen Pandemielage in besonderem Maße Kompetenz und Verantwortung. Das neue Verbundprojekt EViPan soll diese Expertise bündeln und einen wesentlichen Beitrag zum Pandemiemanagement in Deutschland leisten. Im Projektverbund sollen aus regionalen Erfahrungen der COVID-19-Pandemie neue anpassungsfähige Konzepte entwickelt werden – auch als Vorbereitung auf zukünftige Pandemien.
Das UKJ leistet seinen Beitrag auf den Gebieten der Public Health und der Risikokommunikation, die an der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin von PD Dr. Dr. Petra Dickmann repräsentiert werden. In Kooperation mit anderen Unikliniken (u.a. Leipzig und Dresden) sollen im Projektverbund maßgeschneiderte Strategien entworfen werden, die als Leitlinien für die Politik, Wissenschaft und Gesundheitsversorgung in der Pandemie dienen können. Zusätzlich sollen Empfehlungen zur Vermittlung gesundheitlicher Risiken und zur Reduzierung risikohaften Verhaltens erarbeitet werden. Grundlage aller Empfehlungen ist eine gezielte Analyse der Bevölkerungsperspektive, in der sich auch die Vielstimmigkeit der Berufsgruppen in der Gesundheitsversorgung wiederfindet.
FoDaPla
Nationale Forschungsdatenplattform
Zur Unterstützung der Bekämpfung der SARS-CoV-2 Pandemie, sowie zukünftiger Pandemien bzw. Wellen bedarf es einer sicheren, erweiterbaren und interoperablen Plattform zur Bereitstellung von Forschungsdaten zu COVID-19, welche die Universitätskliniken untereinander verbindet. Diese Plattform muss einerseits in der Lage sein, die standardisierte Datenerhebung und -haltung auf dem für methodisch anspruchsvolle Studien und Register notwendigen Qualitätsniveau zu organisieren und dabei alle Anforderungen der Ethik und des Datenschutzes zu erfüllen. Dies umfasst auch die technische Integration von medizinischen Bilddaten und Biomaterialien, die häufig für spätere Analysen zunächst in Biobanken zwischengelagert werden müssen. „Die Plattform sollte in möglichst großem Umfang Routinedaten für die Forschung nutzbar machen, wenn sie den für die wissenschaftlichen Fragestellungen erforderlichen Qualitätsstandards entsprechen“, so Prof. Dr. André Scherag, Direktor des Instituts für Medizinische Statistik, Informatik und Datenwissenschaften am UKJ. „Dafür werden wir die Vorarbeiten des SMITH-Konsortiums nutzen.“
DEFEAT PANDEMIcs
Das Ziel von DEFEAT PANDEMIcs ist der Aufbau eines deutschlandweiten Obduktionsnetzwerks für den Pandemiefall, um systematisch und strukturiert Daten und Erkenntnisse möglichst vollständig, umfassend und zeitnah zu erfassen, zusammenzuführen und den Netzwerkpartnern zur Auswertung zur Verfügung zu stellen. Das Netzwerk liefert so einen wertvollen Beitrag zur Bewältigung der aktuellen COVID-19-Pandemie sowie zur schnellen Reaktion auf künftige Epidemien und Pandemien. Als UKJ-Wissenschaftler sind die Rechtsmedizinerin Prof. Dr. Gita Mall und der Pathologe Prof. Dr. Nikolaus Gaßler beteiligt.
CEO-sys
Aufbau eines COVID-19-Evidenz-Oekosystems zur Verbesserung von Wissensmanagement und -translation (CEO-sys)
Ziel des Verbunds CEO-sys ist es, ein nationales Evidenznetzwerk zu COVID-19 aufzubauen. Das durch 21 Universitäten und 4 außeruniversitäre Partner getragene Netzwerk wird durch Identifikation, Aufarbeitung, Bewertung, Synthese und Kommunikation wissenschaftlicher Daten bzw. Ergebnisse ein lebendes Evidenz-Ökosystem erstellen. Integrale Bestandteile dieses Evidenz-Ökosystems werden sein:
- Integration von Planung und Ergebnissen der Primärforschung,
- kontinuierliche Evidenzaktualisierung und
- Aufbereitung der Evidenz für eine leitlinien-basierte Gesundheitsversorgung,
- zielgruppenspezifische Dissemination und Implementierung von Leitlinien und anderen Handlungsempfehlungen,
- klinisches und methodisches Netzwerk zur raschen Evidenzaufbereitung in zukünftigen Pandemiegeschehen.
CEO-sys sichert somit, dass individuelle Therapieentscheidungen, institutionelle und öffentliche Versorgungsstrategien sowie politische Entscheidungen auf der Basis der aktuell verfügbaren Evidenz getroffen werden können. Der Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin und CSCC-Sprecher, Prof. Dr. Michael Bauer wird im Rahmen von CEO-sys an der Etablierung des universitären intensivmedizinischen Evidenz-Netzwerks zur Versorgung von Patienten mit akutem Lungenversagen mitarbeiten.
RACOON
Radiological Cooperative Network zur COVID-19 Pandemie (RACOON)
Das Netzwerk verbindet fast alle Universitätsradiologien in Deutschland und wird als weltweit erstes Projekt dieser Größenordnung eine landesweite Infrastruktur zur konsequent strukturierten Erfassung radiologischer Daten von COVID-19-Fällen errichten. Dabei baut es auf den Fakt, dass die Mehrzahl schwerer Krankheitsfälle weist eine Lungenbeteiligung aufweisen und radiologische Bildgebung pandemische Lungeninfektionen erkennen, bewerten, messen, nachverfolgen und zugrunde liegende Risikofaktoren benennen kann. Prof. Dr. Ulf Teichgräber, Direktor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am UKJ betont: „Die Radiologie steht damit an der Pforte zum Gesundheitswesen und dient bei der Therapieüberwachung als Entscheidungswerkzeug und Messinstrument.“ Zentrales Anliegen des RACOON-Netzwerkes ist die systematische quantitative Erfassung und Auswertung radiologischer Daten auf der Grundlage strukturierten Befundung.
Compass
Coordination on mobile pandemic apps best practice and solution sharing
In dem Projekt wird eine Plattform aufgebaut, die konkrete Methoden und Werkzeuge für Pandemie-Apps koordiniert und bereitstellt. Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft schließen sich bundesweit dafür zusammen und verfolgen dabei einen Open Source-Ansatz. Gemeinsam koordinieren und bewerten sie die Pandemie-Apps und erstellen Handlungsempfehlungen. Das schafft auch eine Basis für digitale Lösungen, um bei künftigen Pandemien besser digital gerüstet zu sein.
B-FAST
Bundesweites Forschungsnetz Angewandte Surveillance und Testung“
Surveillance umfasst die Beobachtung, Analyse, Interpretation und Berichterstattung von Gesundheitsdaten. Die Corona-Pandemie zeigt, dass unterschiedliche Test- und Überwachungsstrategien für die Gesamtbevölkerung, die Schulen und Kitas, eventuelle Risikobereiche und Kliniken benötigt werden. B-Fast entwickelt eine Plattform, in der solche Strategien erprobt werden können. Dafür führt es unterschiedliche Analysen und Bewertungen zusammen. So unterstützt es Strategien, die nicht nur in der akuten Krise helfen, sondern auch auf künftige Pandemien übertragen werden können. Vonseiten des UKJ ist Prof. Dr. Mathias Pletz, Direktor des Instituts für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene, beteiligt.