Jena (UKJ) Wer erinnert sich nicht an seine Schulzeit – an mühsam erlernte Geometriesätze, langweilige Geschichtsstunden oder interessante Diskussionen in Sozialkunde. Mindestens ebenso präsent ist die Erinnerung an Klassenfahrten oder Freundschaften, die in der Schulzeit geschlossen wurden, erleben Kinder und Jugendliche doch gerade in dieser Zeit eine wichtige Phase ihrer psychischen und sozialen Entwicklung. Die Schule ist ein Ort, an dem nicht nur der Grundstein für die berufliche Laufbahn, sondern auch für eine stabile Persönlichkeit sowie einen gesunden Lebensweg gelegt werden kann.
Aktuelle Studien belegen, dass das nicht immer funktioniert: Psychische Beschwerden sind auf dem Vormarsch, bereits Kinder und Jugendliche klagen immer häufiger über Ängste, mangelnde Konzentration, langanhaltende Traurigkeit oder Übergewicht. „Die Ursachen solcher Beschwerden sind vielfältig, jedoch zeigt sich, dass ein Zugehörigkeitsgefühl und die soziale Teilhabe bei Kindern und Jugendlichen ein ganz wesentlicher Einflussfaktor auf die psychische und körperliche Gesundheit sind“, betont PD Dr. Uwe Berger vom Institut für Psychosoziale Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Jena.
Zugehörigkeitsgefühl ist wichtig für die psychische und körperliche Gesundheit
Der Psychologe leitet das Projekt VorteilJena, das genau hier ansetzt und gemeinsam mit Lehrerinnen und Lehrern von verschiedenen Institutionen in Jena und Thüringen Praxishilfen für den Unterricht entwickelt. Uwe Berger: „Unser Ziel ist es, den Schulen ein praxisnahes und qualitätsgesichertes Angebot zur Gesundheitsförderung an die Hand zu geben, das auf die Verbesserung der sozialen Teilhabe und die Steigerung des Selbstwertes der Schüler und Schülerinnen zielt.“
So konzipierten die Wissenschaftler eine Ausstellung zum Thema Dazugehören, die auf zehn Postern Herausforderungen und Chancen von Kindern und Jugendlichen thematisiert, entstigmatisieren und zum Nachdenken anregen soll. Dass das funktioniert, zeigte die Präsentation in Pilotschulen mit anschließender Schülerbefragung. So erzählte eine Schülerin: „Die Poster haben mich dazu bewogen, anderen zu sagen, wenn es mir schlecht geht.“ „Die Poster treffen den Nerv dieser Generation“, berichtet eine Lehrerin. Ab dem 23. Januar 2018 sind die Motive auch im öffentlichen Raum in Jena zu sehen.
Positive Resonanz auf Poster und Übungen
Neben der Posterausstellung ist eine Übungsbox entstanden, die zu fünf Oberkategorien insgesamt 60 Übungen enthält, die sich ohne größere Einarbeitungszeit im Unterricht einsetzen lassen, zum Beispiel um das Wir-Gefühl zu steigern, wenn sich eine neue Klasse bildet oder wenn es Streitigkeiten gibt. „Die Box eignet sich auch, um den Umgang mit Gefühlen zu lernen, den Selbstwert zu stärken, Lebenskompetenzen auszubilden oder die Konzentration zu steigern, wenn es gerade mal wieder unruhig oder die letzte Stunde ist“, so Projektmitarbeiterin Anni Gläser.
Die Resonanz an den zehn Pilotschulen in Thüringen ist überaus positiv. So erzählte eine zunächst skeptische Pädagogin: „In meiner Klasse ist es manchmal gar nicht so leicht. Da hat es mich besonders überrascht und gefreut, wie gut die Schüler mitgemacht haben. Sie haben sich richtig auf die rote Box gefreut“. Und ein Schüler: „Wir reden jetzt viel mehr miteinander. Wir sind offener geworden. Das hat die Klasse mehr zusammengebracht“. Damit haben die Wissenschaftler ein zentrales Anliegen erreicht: „Es war uns besonders wichtig, etwas zu entwickeln, das den Bedürfnissen und Wünschen der Lehrer entspricht und gleichzeitig auch die Schüler anspricht“, berichtet Dr. Susanne Manes, Mitarbeiterin im Projekt.
Mit Unterstützung der Krankenkassen Barmer, AOK Plus, Techniker Krankenkasse sowie der Sparkassenstiftung Jena-Saale-Holzland starten die Wissenschaftler jetzt in die nächste Projektphase, in der sie die entwickelten Praxishilfen einer stark erweiterten Zielgruppe zugänglich machen. Die Poster werden an über zwanzig Straßenbahn- und Bus-Haltestellen auf die Themen psychische Gesundheit und Vielfalt aufmerksam machen. Die Übungsbox wird noch dieses Jahr in einem Verlag erscheinen und im Buchhandel erhältlich sein. Ab Ende 2019 gibt es die Übungen der Box dann auch als kostenloses E-Book. Die Projektmitarbeiterin Dr. Katharina Wick ist überzeugt: „Wir geben damit den Schülern und Pädagogen einfache und wirksame Instrumente an die Hand, um den Umgang mit dem Thema Zugehörigkeit und Ausgeschlossensein zu erleichtern. Unsere Erfahrungen mit dem Pilotschulen haben gezeigt, dass sie die soziale Teilhabe in den Schulen wirklich verbessern können.“
VorteilJena
Mit VorteilJena entsteht seit 2014 eine Gesundheitsregion um Jena herum. Mit Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gehen das Universitätsklinikum, die Friedrich-Schiller-Universität und die Ernst-Abbe-Hochschule in Jena mit über 30 Praxis-Partnern vor Ort neue Wege in der Gesundheitsförderung. Dazu wurden in den Bereichen „Gesund Lernen“, „Gesund Arbeiten“ und „Gesund Altern“ gemeinsam mit Schulen, Unternehmen und Senioren Praxishilfen entwickelt und wissenschaftlich evaluiert, die durch mehr soziale Teilhabe und Steigerung der Selbstwirksamkeit den neuen Volkskrankheiten, wie Depression, Demenz und Übergewicht vorbeugen und die Gesundheit jedes Einzelnen positiv beeinflussen. Näheres hierzu: www.vorteiljena.de
Weitere Informationen zur Posterausstellung: http://www.vorteiljena.de/de/projekte/gemeinsam-lernen-als-chance/mehr-informationen/