29.11.2005
Wie das „zweite Gehirn“ und das größte Immunsystem unser Wohlbefinden steuert
Jenaer Symposium zur Naturheilkunde widmet sich dem Darm als Krankheitsquelle
In der Naturheilkunde ist der Darm Schicksalsgeber über Leben und Tod. "Viel körperlich und seelisches Weh hat seine Ursache meist im Bauch", sagte schon Pfarrer Kneipp vor 120 Jahren.
Der Darm gilt als das "zweite Gehirn" in unserem Körper: Mit einer Länge von etwa 6 Metern, einer Oberfläche von etwa 200 Quadtratmetern und einer größeren Ansammlung von Nervenzellen als im Gehirn beeinflusst das größte Verdauungsorgan mit seiner Funktion unmittelbar unsere Gesundheit. Zellen der Darmwand haben eine enorme immunologische Potenz, so dass der Darm mit dem größten Immunsystem im Körper wesentlich für eine gut funktionierende Abwehr ist. Ist jedoch das empfindliche Gleichgewicht der Darmflora, die aus etwa 100 Billionen Bakterien besteht, gestört, wird unser Wohlbefinden massiv beeinträchtigt. Es folgen Krankheiten, deren Auslöser zum Teil gar nicht mehr erkennbar ist, wie beispielsweise chronische Schmerzsyndrome. Störungen der Verdauung beeinflussen nicht nur metaphorisch die Stimmung - wenn uns "etwas auf den Magen schlägt" oder die "Schmetterlinge im Bauch" flattern, kommt die Wechselwirkung von Psyche und Darm zum Tragen. Umgekehrt können auch seelische Störungen das Zusammenspiel der Verdauung massiv beeinträchtigen - Reizdarm und Reizmagen sind die Folgen, die wiederum das Wohlbefinden der Betroffenen verschlechtern.
"Ein gut funktionierender Darm ist wesentlich für unsere Vitalität und unser Wohlbefinden" ist Prof. Christine Uhlemann, Leiterin des Kompetenzzentrums für Naturheilkunde im Uniklinikum Jena, überzeugt. "Man könnte auch sagen, er ist der Dreh- und Angelpunkt für psychische und physische Gesundheit".
Prof. Dr. med. Christine Uhlemann, Leiterin des Kompetenzzentrums für Naturheilverfahren am Universitätsklinikum Jena.
Foto: H.-G. Schröder
Mit dieser zentralen Rolle des Darms und mit dem Zusammenspiel von Darm und Seele beschäftigt sich das 7. Symposium zu Ratio und Plausibilität in der Naturheilkunde, das am 10. Dezember am Jenaer Universitätsklinikum stattfindet. "In einer guten Tradition werden wir dabei die sogenannte 'Schulmedizin' und die Naturheilkunde bei der Diskussion der Funktionsstörungen des Darms zusammenbringen", so die wissenschaftliche Leiterin des Symposiums, zu dem 200 Teilnehmer aus ganz Deutschland erwartet werden. "Wichtig ist der Blick auf die reziproken Wechselwirkungen zwischen Psyche und Darmfunktion", erklärt Uhlemann, "daran müssen wir mit den Therapiemöglichkeiten anknüpfen." So geht der Reizdarm, an dem etwa 20 Prozent der Deutschen leiden, oft einher mit depressiven Verstimmungen, Kopfschmerzen und sogenannten ganzheitlichen Befindlichkeitsstörungen wie dem Fibromyalgiesyndrom, bei dem der Reizdarm ein dominantes Symptom ist. Oft haben die Betroffenen schwierige Lebenssituationen durchlebt, also im übertragenen Sinne "etwas zu verdauen". Eine ganzheitliche Betrachtung bei der Behandlung des Reizdarmsyndroms sei daher einer bloßen "Symptomkontrolle" überlegen, so Christine Uhlemann.
Doch das "zweite Gehirn" spiegelt nicht nur seelische Probleme, es beeinflusst auch umgekehrt die Stimmung und die Gesundheit. Ein gut funktionierender Darm ist ein Garant für ein gesundes und zufriedenes Leben. "Doch wir greifen mit unserer in der Regel ungesunden Ernährung und Lebensweise ständig die Schutzbarriere im Darm an", so die Medizinerin, "und zerstören diese durch massiven Gebrauch von Genussgiften wie Alkohol, Nikotin oder Koffein." Ein geschwächtes Immunsystem, die Anfälligkeit für Infektionen und andere Erkrankungen sowie Verstimmungen bis hin zu Depressionen sind die Folge. 'Der Tod sitzt im Darm', heißt eines der Axiome der Naturheilkunde. Umso wichtiger sei es, den Darm zu stärken und zu schützen: "Fasten oder Darmspülungen als Entlastung für unseren mit Reizstoffen überfluteten Darm haben da eine unmittelbar gesundheitsfördernde Wirkung", beurteilt Prof. Uhlemann die Präventionsmöglichkeiten. Welche naturheilkundlichen Therapien, wie z.B. Colonmassage, Bindegewebsmassage oder heiße Auflagen zur Behandlung von funktionellen Störungen auch aus Sicht der Schulmedizin geeignet sind, ist Thema der diesjährigen Jenaer Tagung.
7. Symposium zur Ratio und Plausibilität in der Naturheilkunde, "Der Darm - Dirigator über leibliches Wohl und Übel"
10.12. 2005, 9.00 Uhr bis 14.30 Uhr
Campus der FSU, Carl-Zeiss-Straße 3, Hörsaal 3, Jena
Ansprechpartner:
Prof. Dr. med. Christine Uhlemann
Kompetenzzentrum Naturheilverfahren, Klinik für Innere Medizin II
Tel:03641/933180E-Mail: