Nachdem Sektionen von Tieren bereits im antiken Griechenland durchgeführt wurden, widmete man sich erst zu Beginn des 14. Jahrhunderts dem Studium der menschlichen Anatomie durch anatomische Sektionen. 1482 erlaubte der Papst Leichenzergliederungen. Als Begründer der neuzeitlichen Anatomie gilt Andreas Vesal (1514-1564). Er sezierte zahlreiche menschliche Leichname und veröffentlichte 1543 ein grundlegendes Druckwerk über die Anatomie des Menschen.
Die Obrigkeiten hatten durch geeignete Gesetze für eine ausreichende Belieferung mit Leichnamen zu sorgen, während die Anatomie die entstehenden Kosten begleichen musste. Seit dem 18. Jahrhundert waren regelmäßige Sektionen fester Bestandteil des Unterrichts - die Leichen Hingerichteter reichten dafür bei Weitem nicht mehr aus. Entsprechend wurde der Personenkreis für Anatomieleichen auf weitere gesellschaftliche Randgruppen erweitert.
Die Leichname folgender Personengruppen wurden im 19. Jahrhundert an die Anatomie in Jena abgeliefert:
- wegen schwerer Verbrechen hingerichtete Personen
- wegen schwerer Verbrechen verurteilte Personen, die im Gefängnis gestorben waren oder Selbstmord begangen hatten
- Personen, die Selbstmord begangen hatten, ohne psychisch krank zu sein
- tot aufgefundene Unbekannte, für die niemand das Begräbnis bezahlen wollte
- verstorbene Frauen niederen Standes, die unehelich schwanger waren
- verstorbene uneheliche Kinder niederen Standes bis 12 Jahre
- arme Verstorbene, die kein Begräbnis bezahlen konnten