Blutstammzelltransplantationen (SZTs) werden bei Kindern u. a. zur Behandlung von Hochrisiko-Leukämien oder prognostisch ungünstigen soliden Krebsformen durchgeführt. Durch SZTs können heutzutage etwa 50 - 60% der betroffenen Kinder dauerhaft geheilt werden, wobei meist Rezidive den Therapieerfolg verhindern, die wiederum durch ungenügende Therapiewirksamkeit oder erhöhte Therapieresistenz verursacht werden.
Die wichtigsten therapiewirksamen Effekte, die durch SZT-Verfahren vermittelt werden sind:
- zellschädigende und damit apoptose-auslösende Wirkungen von Zytostatika und ionisierenden Strahlen in der Phase der Konditionierung vor der Transplantation sowie
- die Eliminierung verbliebener Krebszellen nach einer SZT durch immunologisch aktive Zellen des Spenders. Essentielle Fortschritte bei SZTs sind durch Verbesserung dieser therapiewirksamen Effekte ableitbar, die wiederum durch Überwindung von Zytostatika- und Bestrahlungsresistenz sowie durch Verbesserung der immunologischen Kontrolle von Krebszellen erzielbar sind.
Das Hauptziel des wissenschaftlichen Programms der Jenaer Kinderklinik ist auf diesen Schwerpunkt fokussiert, die Suszeptibilität kindlicher Krebszellen für chemische, physikalische und immunologische Wirkungen zu erhöhen sowie spezifischer wirksame Therapieformen zu finden, diese zu validieren und in klinische Anwendungen zu bringen.
Ein weiteres wichtiges Ziel ist es, Lösungen zu finden, die Vorteile der Applikation großer Stammzellmengen bei einer SZT durch Vorabamplifikation von Stammzellen ex vivo nutzen zu können.
Dabei werden in festgelegten Forschungsprogrammen
- die Möglichkeiten untersucht, so genannte epigenetische Modulatoren (Histondeacetylase-Inhibitoren, HDIs) zur Verbesserung der Suszeptibilität von Krebszellen für Zytostatika, Bestrahlungen und den Angriff von Immunzellen vor bzw. nach einer Transplantation einzusetzen,
- die Möglichkeiten untersucht, Spenderlymphozyten im Rahmen allogener SZTs und Natürliche-Killer-Zellen (NK-Zellen) im Rahmen haploidentischer SZTs möglichst effizient einzusetzen und
- Methoden entwickelt, Blutstammzellen ex vivo bereits vor Transplantation zu amplifizieren, um die Vorteile einer SZT mit sehr großen Stammzellmengen nutzen zu können.
Verstärkung der Suszeptibilität kindlicher Krebszellen gegen Zytostatika, ionisierende Strahlen und dem Angriff von NK-Zellen durch epigenetische Modulatoren Kindliche Krebserkrankungen, wie akute Leukämien und die meisten kindlichen soliden Krebsformen, besitzen primär eine bemerkenswert hohe Zytostatika- und Bestrahlungs-Empfindlichkeit, welche die Voraussetzungen für eine vollständige Heilung bieten. Wenn Heilung jedoch selbst durch hoch dosierte Zytostatikaapplikationen im Rahmen einer SZT nicht möglich ist, sind molekulare Resistenzmechanismen, mangelnde Suszeptibilität oder ungenügende Spezifität verantwortlich, für deren Überwindung Lösungen gefunden werden müssen.
Das zytostatika-, bestrahlungs- und auch das immunzell-induzierte Absterben von Krebszellen wird nach heutigem Kenntnisstand maßgeblich durch direkt oder indirekt in die Apoptose eingreifende Moleküle oder durch zelluläre Signalmoleküle verursacht, wobei nach wie vor offen ist, welche Effektormoleküle oder welche Signalmoleküle für einen Therapieerfolg letztlich entscheidend sind.
Histondeacetylase-Inhibitoren (HDIs) sind epigenetische Modulatoren und gehören zu einer viel versprechenden Wirkstoffgruppe mit Antitumorwirkung, die sich derzeit in zahlreichen klinischen Prüfungen befinden. HDIs aktivieren zelluläre Differenzierungsprogramme, inhibieren den Zellteilungszyklus und induzieren effektiv Apoptose durch tiefgreifende Veränderungen in die Genregulation mit hoher Spezifität für transformierte Zellen, was u.a. die vermehrte Expression proapoptotischer und wachstumshemmender Proteine in Krebszellen zur Folge hat.
Eigene und die Untersuchungen anderer Arbeitsgruppen zeigen darüber hinaus, dass HDIs Krebszelllinien sehr eindrucksvoll gegen Zytostatika, ionisierende Strahlen und zudem gegen den Angriff von NK-Zellen sensibilisieren. HDIs wirken in diesen Kombinationsbehandlungen stark synergistisch.
Krebszellen, die sich hinsichtlich ihrer Suszeptibilität gegen verschiedene Therapieprinzipien durch kurzzeitig induzierte veränderte Expression von Proteinen voneinander unterscheiden, stellen ein ideales und kliniksnahes System zur Identifizierung und Validierung von Resistenzfaktoren dar. Daher fokussieren sich Forschungsprojekte an der Jenaer Kinderklinik auf die phänotypische Charakterisierung idealer synergistischer Effekte für klinische Entwicklungen weiterführender SZTs und die Identifizierung und Validierung von Schlüsselfaktoren der Therapieresistenz u.a. in Proteom- bzw. Transkriptomuntersuchungen.
Eigene Publikationen zu synergistischen Wirkungen mit Histondeacetylase-Inhibitoren:
-
Sonnemann J, Gänge J, Kumar S, Müller C, Bader P und Beck JF (2005) Histone deacetylase inhibitors interact synergistically with tumor necrosis factor related apoptosis inducing ligand (TRAIL) to induce apoptosis in carcinoma cell lines. Investigational New Drugs, 23, 99-109.
- Sonnemann J, Hartwig M, Plath A, Kumar S, Müller C und Beck JF (2006) Histone deacetylase inhibitors require caspase activity to induce apoptosis in lung and prostate carcinoma cells. Cancer Letters, 232, 148-160.
- Sonnemann J, Kumar KS, Heesch S, Müller C, Hartwig C, Maaß M, Bader P, und Beck JF (2006) Histone deacetylase inhibitors induce cell death and enhance the susceptibility to ionizing radiation, etoposide, and TRAIL in medulloblastoma cells. International Journal of Oncology, 28, 755-766.
- Kumar KS, Sonnemann J und Beck JF (2006) Histone deacetylase inhibitors induce cell death in supratentorial primitive neuroectodermal tumor cells. Oncology Reports, 16, 1047-105.
- Sonnemann J, Gänge J, Pilz S, Stötzer C, Ohlinger R, Belau A, Lorenz G, und Beck JF (2006) Comparative evaluation of the treatment efficacy of suberoylanilide hydroxamic acid (SAHA) and paclitaxel in ovarian cancer cell lines and primary ovarian cancer cells from patients. BMC Cancer, 6, 183.
- Kumar KS, Sonnemann J, Hong LTT, Buurmann C, Adler F, Maass M, Völker U, und Beck JF (2007) Histone deacetylase inhibitors, but not vincristine, interact cooperatively with ionising radiation to induce cell death in medulloblastoma cells. Anticancer Research, 27, 465-470.
- Sonnemann J, Dreyer L, Hartwig M, Palani CD, Hong LTT, Klier U, Bröker B, Völker U und Beck JF (2007) Histone deacetylase inhibitors induce cell death and enhance the apoptosis-inducing activity of TRAIL in Ewing's sarcoma cells. Journal of Cancer Research and Clinical Oncology, 133, 847-858.
- Felber M, Sonnemann J und Beck JF (2007) Inhibition of Novel Protein Kinase C-epsilon Augments TRAIL-induced Cell Death in A549 Lung Cancer Cells. Pathology Oncology Research, 13, 295-301.
- Sonnemann J, Bumbul B und Beck JF (2007) Synergistic activity of the histone deacetylase inhibitor suberoylanilide hydroxamic acid and the bisphosphonate zoledronic acid against prostate cancer cells in vitro. Molecular Cancer Therapeutics, 6, 2976-84.
- Dzieran J, Beck JF, Sonnemann J (2008) Differential responsiveness of human hepatoma cells versus normal hepatocytes to TRAIL in combination with either histone deacetylase inhibitors or conventional cytostatics. Cancer Science, 99, 1685-1692.
- Sonnemann J, Hüls I, Sigler M, Palani CD, Hong LTT, Völker U, Kroemer HK und Beck JF (2008) Histone deacetylase inhibitors and aspirin interact synergistically to induce cell death in ovarian cancer cells. Oncology Reports, 20, 219-224.