Jena (UKJ/me). Wenn der Eiweißstoffwechsel von Geburt an gestört ist, kann durch das Neugeborenenscreening eine Phenylketonurie, kurz PKU, diagnostiziert werden. Sie ist eine von über 500 angeborenen Stoffwechselerkrankungen und stellt die die größte Gruppe dar. In der Sprechstunde für Erwachsene mit angeborenen Stoffwechselerkrankungen der Klinik für Innere Medizin III am Universitätsklinikum Jena (UKJ) werden aktuell über 70 Patientinnen und Patienten behandelt und begleitet, darunter 45 Patientinnen und Patienten mit einer PKU und das im Alter von 18 bis 64 Jahren. „Auch im höheren Alter profitieren Betroffene von einer speziellen, eiweißarmen Diät. Wir haben beispielsweise einen Patienten betreut, der nicht mehr ansprechbar war, nicht mehr essen konnte. Durch die Therapie kam es zu deutlichen Besserungen und mehr Lebensqualität“, erklärt Oberarzt Dr. Sebastian Schmidt, der die Sprechstunde gemeinsam mit PD Dr. Nicolle Müller leitet. Mit den Kolleginnen und Kollegen der Klinik für Neuropädiatrie um Oberarzt Dr. Ralf Husain und seinem Team) lädt das Team der Endokrinologie am 8. Juni 2024 zum PKU-Patiententag am UKJ in Lobeda ein. Menschen mit PKU sowie deren Angehörige können sich vor allem über aktuelle Therapiemöglichkeiten informieren und mit den Expertinnen und Experten des Klinikums ins Gespräch kommen.
Die Spezialsprechstunde für Erwachsene ist seit fünf Jahren an der Klinik für Innere Medizin III am UKJ (Klinikdirektor: Prof. Dr. med. Gunter Wolf, MHBA) etabliert und gehört seit April 2024 zum B3-Zentrum Seltene (neuro-) metabolische Erkrankungen des Zentrums für Seltene Erkrankungen am UKJ. Da es Erwachsenensprechstunden nur an wenigen Standorten in Deutschland gibt, kommen Patientinnen und Patienten nicht nur aus Thüringen, sondern auch überregional unter anderem aus Bayern, Sachsen und Brandenburg. Die Sprechstunde füllt dabei eine wichtige Versorgungslücke. Meist wurden erwachsene Patienten früher bei niedergelassenen Kinderärzten weiterbetreut. „Wir können in unserer Sprechstunde PKU-Patientinnen und Patienten gezielt und engmaschig betreuen, damit sie die Erkrankung ein Leben lang im Griff haben. Damit das gelingt, arbeiten wir interdisziplinär eng mit der Stoffwechselambulanz der Klinik für Neuropädiatrie in Form einer gemeinsamen Transitionssprechstunde zusammen, also einer strukturierten Überführung aus der Kindermedizin in die Erwachsenenmedizin, genauso auch mit den Teams der Neurologie, der Geburtsmedizin und der Diätetik in unserer Zentralküche“, erklärt Nicolle Müller. Wie diese Transition funktioniert, erklären die Expertinnen und Experten auch beim PKU-Patiententag.
Das Team der Endokrinologie steht außerdem bei Lebensveränderungen zur Seite, beispielsweise bei Kinderwunsch und während einer Schwangerschaft sowie bei anderen typischerweise im Erwachsenenalter auftretenden chronischen Erkrankungen wie Diabetes und Bluthochdruck. So hat das Team zuletzt drei Schwangerschaften mit PKU erfolgreich betreut. Sebastian Schmidt: „Frauen müssen im Vorfeld und während der Schwangerschaft besonders engmaschig betreut werden. Denn wir müssen die Diät fast wöchentlich, in Abhängigkeit des Wachstums beim Kind und der Versorgung im Mutterleib, anpassen. Schwangere müssen einen sehr niedrigen Phenylalaninwert im Blut erreichen, damit es ihnen und dem ungeborenen Kind gut geht. Deshalb sind die Spezialsprechstunden so wichtig.“
Die Sprechstunde wurde durch den diesjährigen Posterpreis im Bereich Endokrinologie und Diabetes beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) in Wiesbaden mit Sebastian Schmidt als Erstautor einmal mehr gewürdigt. „Hiermit wird die Expertise und Qualität in der Sprechstunde für Erwachsene mit angeborenen seltenen Stoffwechselerkrankungen sowie das darin gelebte Transitionsmodell ausgezeichnet“, erklärt Prof Dr. Gunter Wolf, einer der Koautoren und Direktor der Klinik.
Beim Patiententag spricht das Stoffwechselteam außerdem über aktuelle Therapiemöglichkeiten und Forschungsergebnisse. Bei der PKU nimmt insbesondere die Ernährungsberatung einen wichtigen Stellenwert ein. „Da die Aminosäure Phenylalanin nicht abgebaut werden kann, müssen sich unsere Patienten stets an eine phenylalaninarme, also eine eiweißarme Diät, halten. Auf Fleisch, Eier und Milchprodukte muss dabei meist verzichtet werden. Wir untersuchen sie nicht nur in unserer Sprechstunde, sondern passen die Therapie stets an“, betont Nicolle Müller.
Die kontinuierliche Therapietreue stelle jedoch vor Herausforderungen, ergänzt Sebastian Schmidt: „Die medizinische und diätetische Betreuung bei PKU sollte lebenslang erfolgen.“
Neben der Ernährungsberatung und weiteren medikamentösen Therapieoptionen bietet das Jenaer Team auch die sogenannte Enzymersatztherapie für Menschen mit PKU an. In der Regel kann nach etwa einem halben Jahr erstmals ein normales Essen mit allen Lebensmitteln möglich sein. Sebastian Schmidt: „Wir beginnen mit kleinen Dosen und steigern es schrittweise. Durch die Enzymersatztherapie wird erhöhtes Phenylalanin im Blut abgebaut. Wichtig ist hierbei die sehr engmaschige ärztliche und diätetische Kontrolle.“ Deshalb sei es umso wichtiger, Patientinnen und Patienten in der Sprechstunde und am Patiententag über alle Therapieoptionen bei PKU umfassend aufzuklären.
PKU-Patiententag
am Samstag, den 08. Juni 2024
Ort: Hörsaal II, Universitätsklinikum Jena,
Standort Lobeda
Zeit: 09:00–12:30 Uhr
Kontakt:
Sprechstunde für seltene angeborene Stoffwechselerkrankung bei Erwachsenen
Anmeldung: 03641-9324345
PD Dr. Nicolle Müller
Fachbereich Endokrinologie/Stoffwechselerkrankungen,
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
OA Dr. Sebastian Schmidt
Facharzt für Innere Medizin und Endokrinologie und Diabetologie