ReNU-Syndrom
Das ReNU-Syndrom - Varianten in RNU4-2 als häufige Ursache für neurologische Entwicklungsstörungen
Neurologische Entwicklungsstörungen beeinträchtigen die normale Entwicklung des Nervensystems und betreffen häufig mehrere Entwicklungsbereiche wie Motorik, Sprache und Kognition. Diese Störungen, oft mit Intelligenzminderung (ID) gleichgesetzt, umfassen ein breiteres Spektrum und manifestieren sich früh, wodurch sie langfristige Auswirkungen auf Lebensführung, Therapie und Familienplanung haben können. Schätzungsweise 2-3 % der Kinder weltweit sind betroffen, wobei etwa 30-50 % genetische Ursachen haben.
Im April 2024 wurde durch Genomics England bekannt, dass bei etwa 0,5 % der Patientinnen und Patienten mit syndromalen neuronalen Entwicklungsstörungen Veränderungen im nicht-kodierenden RNU4-2-Gen ursächlich sind. Das RNU4-2-Gen codiert die U4-Komponente der kleinen nukleären RNA (snRNA) des Hauptspleißosoms. Varianten in diesem Gen stören die Funktion des Spleißosoms und beeinflussen damit die Auswahl der 5'-Spleißstelle, was zu Fehlern in der Genexpression führt. Die bisher häufigste rekurrente Variante ist die n.64_65insT, die meist als de novo-Veränderung und bisher ausschließlich auf dem maternalen Allel beschrieben wurde.
Das seit November 2024 erstmals offiziell als ReNU-Syndrom bezeichnete Krankheitsbild ist durch eine Entwicklungsstörung und Intelligenzminderung (ID) gekennzeichnet, wobei die motorische und sprachliche Entwicklung nahezu ausbleiben. Betroffene zeigen typische faziale Merkmale wie volle Lippen, einen großen Mund und tiefliegende Augen. Weitere Symptome umfassen u.a. Hypotonie, Epilepsie (bei etwa 75 % der Fälle), Mikrozephalie und Kleinwuchs. Es gibt eine gewisse Überschneidung mit dem Pitt-Hopkins-Phänotyp, was zu ähnlichen klinischen Erscheinungsbildern führen kann. Da erst kürzlich neu beschrieben, bleibt das ReNU-Syndrom noch oft unterdiagnostiziert. Es zählt jedoch schon jetzt zu den häufigeren Ursachen für neurologische Entwicklungsstörungen, mit schätzungsweise weltweit 100.000 betroffenen Personen.
Bei Verdacht auf das Vorliegen eines ReNU-Syndrom erfolgt die Diagnostik durch gezielte Sangersequenzierung des RNU4-2-Gens. Da RNU4-2 kein Protein kodiert, wird es in den meisten Exom-basierten NGS-Analysen nicht erfasst. Eine Hotspot-Analyse kann bei dringendem klinischen Verdacht in unserem Labor angefordert (Anforderungsscheine) werden. Bei Genom-Untersuchungen werden krankheitsursächliche Veränderungen ebenfalls identifiziert.

Arbeitsgruppenleiterin