Soeben hat das von der Medizinischen Fakultät Jena neu gegründete und am Universitätsklinikum angesiedelte Zentrum für Gesundes Altern die Arbeit aufgenommen.
Warum ein solches Zentrum?
Prof. Witte: Die Lebenserwartung steigt, damit nimmt zugleich die Häufigkeit von Erkrankungen zu, die im höheren Lebensalter verstärkt auftreten. Hier zu nennen sind neurodegenerative Erkrankungen, zu denen die Demenz gehört, Schlaganfälle, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs oder Sturzverletzungen. Bereits jetzt ist die Hälfte der am UKJ behandelten Patienten älter als 60 Jahre. Häufig kämpfen sie mit mehreren Krankheiten zugleich. Das stellt die Behandlung und Pflege vor Herausforderungen. Ein Beispiel: Viele Medikamente wirken bei alten Menschen mit eingeschränkten Organfunktionen anders als bei jüngeren Patienten. Oder das Delir-Phänomen: Mitunter entwickeln alte Menschen während einer Behandlung aus heiterem Himmel demenzähnliche Verwirrungssymptome, Delir genannt. Das sind Besonderheiten, auf welche die Altersmedizin vor dem Hintergrund steigender Lebenserwartung eingehen muss. Zudem existieren noch immer zu wenige Forschungserkenntnisse auf dem Gebiet der Altersmedizin. Am Standort Jena gibt zwar eine rege Forschungslandschaft im Bereich der Alternsforschung, jedoch fehlte bisher eine direkte Verbindung zum Klinikalltag. Das Zentrum für Gesundes Altern füllt nun diese Lücke und spannt einen Bogen von der Grundlagenforschung bis hin zum Krankenbett.
Welche Aufgaben hat das Zentrum?
Prof. Witte: Das Zentrum will Forschungsschwerpunkte im Bereich Altersmedizin an den Kliniken und Instituten des UKJ bündeln. Dabei geht es nicht nur um Grundlagenforschung, zum Beispiel zur Hirn- oder Stammzellalterung, sondern auch um praxisorientierte Forschung mit dem Ziel, eine altersangepasste Medizin in der täglichen Krankenversorgung in möglichst vielen Bereichen des Klinikums zu etablieren. Vorstellbar ist zum Beispiel, dass bei der stationären Aufnahme älterer Patienten deren Delir-Risiko systematisch erfasst wird. Die Altersmedizin soll auch in der Lehre stärker etabliert werden, wir wollen Medizinstudenten und Doktoranden dafür interessieren. Dabei kooperieren wir zum Beispiel mit der Else-Kröner-Fresenius-Stiftung, die ein Forschungskolleg für drei Jahre mit der Summe von einer Million Euro finanziell fördert. Über dieses Kolleg binden wir vor allem Nachwuchsforscher ein. Momentan betrifft das unter anderem die Geriatrie, die Innere Medizin, die Neurologie und die Chirurgie. Und schließlich soll das Zentrum einen Beitrag leisten, um auch die ärztliche Weiterbildung auf dem Gebiet der Altersmedizin auszubauen.
Welche Einrichtungen arbeiten in diesem Zentrum zusammen?
Prof. Witte: Beteiligt sind momentan die Kliniken für Geriatrie, Neurologie, Innere Medizin II (Hämatologie und Onkologie), Psychiatrie und Psychotherapie einschließlich dort bereits bestehender, klinikübergreifender Strukturen, etwa das Gedächtniszentrum für Demenzpatienten oder das Schwindelzentrum. Wir gehen davon aus, dass das Zentrum rasch wachsen wird und weitere Kliniken mit speziellen Interessen in der Altersmedizin dazukommen. Darüber hinaus bestehen Kooperationen und Verbundforschungsprojekte mit anderen Forschungseinrichtungen in Jena, die sich mit Alternsprozessen beschäftigen, etwa das Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) und das Zentrum für Alternsforschung Jena (ZAJ) der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Die Vernetzung sowie Aufnahme weiterer Mitglieder ist ein wesentliches Ziel des Zentrums für Gesundes Altern.
Interview: Katrin Zeiß
Artikel aus dem Klinikmagazin 3|2017