Worin bestehen die Vorzüge des universitären Herzzentrums Jena für die Patienten?
Prof. Doenst: Wir kombinieren in unserem Herzzentrum drei entscheidende Vorteile für Patienten: erstens fachliche Kompetenz, zweitens leitliniengerechte, gemeinsame Therapieentscheidungen und drittens das Vorhandensein des gesamten Therapiespektrums in Kardiologie und Herzchirurgie, wobei wir in unseren Spezialbereichen auch international führend sind. Das bedeutet, dass in die Behandlung eines Patienten immer sowohl die Expertise der Kardiologie als auch die der Herzchirurgie einfließt.
Prof. Schulze: Einmal wöchentlich treffen sich Kardiologen und Herzchirurgen – das „Herzteam“ – beispielsweise zur Fallkonferenz vor Herzoperationen. Dabei gehen wir jeden einzelnen Patientenfall durch, wägen ab, welches Verfahren das bestmögliche für die jeweiligen Patienten ist – also ob die schadhafte Herzklappe besser mittels Kathetereingriff oder aber mit einer Operation behandelt wird. Dringliche Entscheidungen treffen wir sofort und täglich. Auch am OP-Tisch stehen Kardiologen und Herzchirurgen gemeinsam. Beste Voraussetzungen bietet hierfür unser Hybrid-Operationssaal am Universitätsklinikum Jena. Das ist eine Kombination aus klassischem OP-Saal und Herzkatheterlabor; sowohl Katheterbehandlungen als auch offene Operationen sind hier möglich.
Welche Schwerpunkte wollen Sie bei der Weiterentwicklung des Jenaer Herzzentrums setzen?
Prof. Doenst: In der Herzchirurgie wollen wir vor allem die minimal-invasiven Techniken weiterentwickeln – also jene, die mit nur kleinen Schnitten verbunden sind. Unser Ziel ist es, dokumentierte Langzeitergebnisse von solchen herzchirurgischen Eingriffen zu gewährleisten. Damit wissen wir, wie lange unsere Bypässe und implantierten Klappen halten, können dies dem Patienten vermitteln. Gleichzeitig nehmen wir an der Entwicklung der innovativen interventionellen Klappentherapie – also mittels Katheterbehandlung – teil und sind hier, was die neuen medizinischen Produkte angeht, am Puls der Zeit. Neben der Klappentherapie besteht ein wesentlicher Schwerpunkt in der Behandlung von Patienten mit fortgeschrittener Herzschwäche (terminale Herzinsuffizienz). Thüringen hat hier die meisten Diagnosen bundesweit, die Zahl der Erkrankungen liegt 43 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Durch die Kombination unserer Kompetenzen im Herzzentrum entwickeln wir im Bereich der Herzinsuffizienz und auch der minimal-invasiven Herzchirurgie für Jena eine Leuchtturmfunktion.
Prof. Schulze: Am UKJ verfügen wir über das komplette Behandlungsspektrum bei Herzinsuffizienz – von der konservativen Therapie über das Einsetzen mechanischer Hilfssysteme, sprich: Kunstherz, bis hin zur Herztransplantation. Hier wollen wir die fachübergreifende Zusammenarbeit am Klinikum, aber auch überregional in ganz Thüringen, in einem Herzinsuffizienznetzwerk intensivieren. Wir wollen auch gemeinsam die Behandlung von Herzrhythmusstörungen mit Herzschrittmachern und Defibrillatoren weiterentwickeln. Ein großes Thema werden angesichts einer immer älter werdenden Bevölkerung Erkrankungen der Herzkranzgefäße. Hier gilt es für uns vor allem die Frühdiagnostik zu verbessern – und somit zum einen das Infarktrisiko zu senken und zum Anderem das Fortschreiten der koronaren Herzerkrankung bei betroffenen Patienten zu verringern.
An welche neuen Formen der Zusammenarbeit von Kardiologen und Herzchirurgen denken Sie?
Prof. Schulze: Vor kurzem haben wir im Herzteam eine regelmäßige wöchentliche Fallkonferenz für Herzinsuffizienz- Patienten etabliert, die – ähnlich wie vor Operationen – die Behandlung von Patienten mit fortgeschrittener Herzschwäche abstimmt. Durch die intensive, fachübergreifende Diskussion können wir die optimale Therapie für die Patienten festlegen und auch deren Liegezeit im Klinikum verkürzen. Die Kooperation im universitären Herzzentrum betrifft aber auch andere Kliniken am UKJ. Wir wollen in Jena in Zusammenarbeit mit der Kinderklinik ein Zentrum für angeborene Herzerkrankungen etablieren. Bisher müssen betroffene Patienten aus Thüringen zur Behandlung weite Wege in andere Bundesländer auf sich nehmen. Das wollen wir ändern.
Prof. Doenst: Die Zusammenarbeit zwischen Kardiologie und Kardiochirurgie in Jena ist seit Jahren sehr gut. Die Weiterentwicklung unserer Fächer hat jedoch zu neuen Herausforderungen geführt, die sich am besten durch ein engeres Zusammenrücken der Arbeitsbereiche in den beiden Fächern beschreiben lässt. Die Konsequenz ist eine neue organisatorische Struktur, die diese Veränderung faktisch abbildet. Wir haben daher unsere Abteilungen noch enger als bisher miteinander verschmolzen, indem wir nicht nur täglich im Herzteam Entscheidungen für den Patienten gemeinsam treffen, sondern auch unsere wirtschaftliche Veranlagung zusammengelegt haben. Wir wollen, dass unsere Mitarbeiter wissen, dass sie primär zum Herzzentrum und sekundär zur Kardiologie oder zur Herzchirurgie gehören. Diese Wahrnehmung macht es für den Patienten angenehmer, sicherer und auch schneller. (zei)
Kunstherzsysteme bei schweren Verläufen
Solche Eingriffe gehören in die Hände der Spezialisten von Herzzentren, betont Prof. Schulze. „Es braucht dazu große Erfahrung und eine enge Kooperation zwischen Kardiologen und Herzchirurgen.“ Zumal bei der Therapie von schweren Verläufen der Herzschwäche auch der Einsatz von Kunstherzsystemen immer wichtiger wird. Allein am UKJ setzten die Herzchirurgen im vergangenen Jahr 22 Kunstherzsysteme ein. Inzwischen können diese Systeme sogar minimal-invasiv implantiert werden. Vorteil: Die Patienten sind schneller wieder mobil und können das Krankenhaus schneller verlassen. Über den Einsatz von Kunstherzsystemen entscheiden am UKJ Kardiologen und Herzchirurgen in einer Fallkonferenz gemeinsam.
Thüringen gehört zu den Bundesländern mit der höchsten Sterblichkeit bei Herzschwäche. Mit 1 595 Todesfällen (2014) steht die chronische Herzinsuffizienz an dritter Stelle der amtlichen Todesursachen- Statistik. Für Prof. Schulze ist das mehr als ein Alarmsignal: „Um diese Situation zu verbessern, wollen wir ein Herzinsuffienz-Netzwerk mit anderen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten aufbauen.“ Es soll dazu beitragen, Therapien zu optimieren, unter anderem indem Krankheitsverläufe, angewandte Therapieverfahren und Komplikationen dokumentiert und Erkrankte frühzeitig an spezialisierte Zentren überwiesen werden. Weiterbildungen für Praxisärzte und Mediziner an anderen Krankenhäusern sind ebenso geplant wie Patientenschulungen. Ziel: mehr Behandlungsqualität und eine geringere Sterblichkeit.